1. Kapitel |
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Die Geschichte des Hochstiftes Paderborn, besonders in seinem südlichen und südöstlichen Teil, ist im 14. Jahrhundert eine sehr wechselreiche gewesen und soll im Nachstehenden kurz dargestellt werden.
Das Material für die Geschichte der untergegangenen Stadt Blankenrode und der Bengelerfehde ist zum größten Teil verarbeitet in Wiegandt's Archiv III. Teil von Kriminaldirektor Gehrken; ferner finden sich auch längere oder kürzere Notizen in verschiedenen Bänden der Zeitschrift des Westfälischen Altertumsvereins.
Zur Geschichte von Burg und Stadt Blankenrode.
Im herrlichen Buchenhochwald, etwa 20 Minuten vom heutigen Dörfchen Blankenrode, dem früheren Snevelde, befinden sich die Überreste der ehemaligen Burg und Stadt Blankenrode, "De Ollenstadt". Ob ursprünglich hier eine altgermanische Fliehburg mit Wall und Gräben, Toren und Verteidigungswerken gewesen ist, ist geschichtlich zwar noch nicht erwiesen, kann aber durchaus als möglich angenommen werden. Die Burg und Stadt wäre dann in die alte Umwallung hineingebaut. S. Lippert im Heimatbuch des Kreises Büren 1923 S. 10/11Wir wollen im Nachstehenden das Wichtigste aus der Geschichte von Burg und Stadt Blankenrode und der Zeit der sog. Paderborner oder Bengeler Fehde mitteilen; die Kenntnis der letzteren Fehde ist für das Verständnis der Entstehung der Dalheimer Augustiner-Kanonie von einiger Bedeutung.
vgl. Wiegandts Archiv III S. 167 ff.
Der Paderborner Fürstbischof Bernard I. von Ösede (1127 - 1160) stiftete das Zisterzienserkloster Hardehausen und besiedelte es mit Mönchen aus dem Kloster Kamp im Rheinlande. Die Schirmvögte der Paderborner Kirche, die verbündeten Grafen von Schwalenberg und Waldeck, glaubten sich wegen ihres Forst- und Wildbannes durch das neue Kloster inmitten des Waldgebietes im Eggegebirge geschmälert, und eine Fehde zwischen Fürstbischof und den genannten Grafen, besonders dem Waldecker Grafen war die Folge.
Das Bestreben der beiderseitigen Territorialherrn von Paderborn und Waldeck ging dahin, die Grenzen ihres Eigenbesitzes nach Süden bzw. Norden zu erweitern und die Grenzen durch feste Burgen zu sichern. Wohl das wichtigste Lehnsrittergeschlecht für die Grafen von Waldeck waren für mehrere Jahrhunderte die Herren von Brobecke, deren Burg von den Paderbornischen Dienstmannen im Jahre 1180 eingenommen und zerstört wurde. Die Burg der Ritter von Brobecke oder Brobicke auch Braubach lag im südlichen Teil des heutigen Kreises Brilon, nach anderer Annahme in der Grafschaft Waldeck
Wie die Grafen von Waldeck die Nordgrenze ihres Gebietes durch Befestigungen und Burgen, darunter besonders Burg in Rhoden zu schützen suchten, waren die Paderborner Fürstbischöfe darauf bedacht, die Südgrenze ihres Besitzes ebenfalls zu sichern. Als Stützpunkt gegen Waldeck wurde Blankenrode ausersehen. Bischof Simon I., Edelherr zur Lippe (1247-1277) soll Burg und Stadt Blankenrode erbaut haben. Westf. Zeitschrift Bd. 43 S. 57
Nachdem die obengenannten Grafen von Schwalenberg und Waldeck nach dem siegreichen Vordringen der Paderborner Dienstmannen in das Gebiet von Waldeck und Eroberung der Burg derer von Brobecke der Schirmvogtei über die Paderborner Kirche im Jahre 1189 entsagt hatten, gewann Fürstbischof von Paderborn, Bernard II.von Ibbenbüren, 1189 die mächtigen Edelherren von Büren als Lehnsträger und Beschützer des Bistums besonders des Sintfeldes, wo die von Büren auch reich begütert waren. Die Ritter von Brobecke hatten nach Zerstörung ihrer Burg im Jahre 1188, obwohl sie Lehnsträger der Grafen von Waldeck waren, verschiedene Lehnsgüter im Fürstentum gerettet und beibehalten.
Im Jahre 1298 traten sie mit den Edelherrn von Büren in nähere Verbindung, erwarben Snevelde. Die Grafen von Waldeck bestritten dem Fürstbischof Otto, Edelherr zur Lippe, von Paderborn (1277-1307) das Recht, Burg und Stadt Blankenrode, so nahe der Waldeck'schen Grenze, zu besitzen. Am 13./8. 1298 kam durch die Vermittlung der Grafen von Schwalenberg und denen von der Lippe ein Friedensvertrag zustande. Waldeck entsagte seinen Ansprüchen, verzichtete auf Burg und Stadt Blankenrode nebst der Mark (Waldungen). Von dieser Zeit steht urkundlich die Existenz von Blankenrode und das alleinige Obereigentum der Bischöfe von Paderborn in Bezug auf diesen Gebietsteil zweifellos fest. Am 19.2.1301 übertrug Fürstbischof Otto dem Knappen Heinrich von Marschalk die Kastellanei in der Burg Blankenrode.
Im Jahre 1293 verkauften die Edelherren und Brüder Berthold und Heinrich von Büren mit Genehmigung ihrer Kinder dem Ritter Gyso von Brobecke und seinen fünf Söhnen die Dörfer Boclon, Verst und Snevelde mit allen Zubehörungen, ein Beweis, daß die Brobecke's an Macht und Reichtum zunahmen, die sie auch durch geschickte Familienbeziehungen zu dem Ritter von Spiegel-Desenberg und von Malsberg vermehrt hatten. Wir finden dann die von Brobecke als Burgmannen in Blankenrode. Bei Vermehrung der Burgmänner kamen Ritter von Marschalk und Kaienberg auch nach Blankenrode. Die Stadt vergrößerte sich mehr und mehr. Ob in der Stadt mehrere Kirchen gewesen sind, können wir vielleicht daraus schließen, daß im Jahre 1307 die von Marschalk "zum Besten des Klosters Hardehausen auf dem Kirchhofe nahe der nach Osten gelegenen Kirche" auf bestimmte Güter verzichten diese Schenkung wurde vom Magistrat von Blankenrode bestätigt.
Bischof Balduin von Steinfurt (1341-1361) versetzte im Jahre 1346 einen Teil der Burg und Festung Blankenrode an die Brüder Gyso und Heinrich von Brobecke. Vom Nachfolger auf dem Fürstbischöflichen Stuhl zu Paderborn, Heinrich III, von Spiegel-Desenberg, vorher Abt in Corvey, erhielt Johann von Brobecke im Jahre l309 und 1370 auch den vierten Teil der Burg und Stadt Peckelsheim nebst der Gerichtsbarkeit gegen 100 Mark Silber Warburger Währung zum wieder einlösbaren Besitz. So wuchs die Macht und das Ansehen der Ritter von Brobecke, die doch auch Lehnsritter des Grafen von Waldeck waren, im Stift Paderborn mehr und mehr; durch den Betrieb des Bergwerkes auf der Bleikuhle bei Blankenrode erwuchsen ihnen große Gewinne.
Im Jahre 1384 faßte Bischof Simon II. Graf von Sternberg,(1380-1389) den für das Stift Paderborn und insbesondere für das Sintfeld und Umgegend sich höchst verderblich auswirkenden Plan, die ihm zu mächtig und reich gewordene Familie von Brobecke aus dem Stift Paderborn zu vertreiben; bei dem Lehnsverhältnis, in dem die Ritter von Brobecke zum Grafen von Waldeck standen und da sie den größten Teil der Burghauptmannschaft in Blankenrode besaßen, mochte der Bischof auch darin eine Gefahr für die südliche Grenzfestung seines Landes erblicken.
Die fehdelustigen Ritter Bertold von Natzungen, Gerd von Spiegel und Gyso von Kaienberg sagten ihm ihre Hülfe gegen Herbold von Brobecke zu. Es entstand eine mehrere Jahre dauernde Fehde. Die Gegner suchten einander zu schaden durch Verwüstungen der Felder, Wegtreiben des Viehes, durch Brand der Dörfer und auch der umwehrten Städte. So wurde Stadt Kleinenberg damals eingeäschert. Fürstbischof Simon II, mehr Ritter und Kriegsmann als Bischof, unternahm im Jahre 1388 die Belagerung der Stammburg der Brobecke's; am 25.1.1389 wurde er bei dieser Belagerung durch einen Pfeilschuß schwer verwundet
und starb 20 Tage später.
Den bedrängten und aus dem Stift Paderborn vertriebenen Rittern von Brobecke entstand ein mächtiger Helfer. Ihr Oberlehnsherr, Graf Heinrich VII von Waldeck hielt jetzt die Zeit für gekommen, die ihm verhaßte Grenzfeste Blankenrode zu zerstören oder in seine Hand zu bekommen. In den Jahren 1389-1394 ist Blankenrode von ihm belagert, erobert und zerstört. Die zerstörte Stadt ist zu neuem Leben nicht mehr erstanden; es ist die "Ollenstadt" Blankenrode!
Die Bengelerfehde
Weitere Helfer entstanden der Familie von Brobecke in einem mächtigen Bunde von raub- und fehdelustigen Rittern, deren Anführer Graf Friedrich von Padberg war. Deshalb heißt diese nach der Belagerung der Burg Brobecke einsetzende Fehde auch die Padberger Fehde. Da die zum Bunde gehörenden Ritter als äußeres Zeichen einen silbernen Stab oder Bengel trugen, ist der Name "Bengelerfehde" weitestens bekannt geworden. Da die Raub- und Verwüstungszüge der im Bengelerbunde zusammengeschlossenen Ritter namenloses Elend über das südliche Hochstift Paderborn brachten, möge das Wesentliche aus der damaligen Zeitgeschichte folgen.
Die Bengeler brachen in das Stift Paderborn ein, überall sengend und brennend. Die vom Domkapitel und den Ständen aufgebrachte Mannschaft wurde geschlagen und verschiedene adelige Führer gefangen genommen. Das Nonnenkloster Dalheim war bereits niedergebrannt. Der Bengelerritter von Falkenberg hatte Warburg um 7000 Gulden gebrandschatzt. Das Domkapitel - der neue Fürstbischof war noch nicht in Paderborn - wußte sich nicht anders zu helfen, als mit den Bengelern einen demütigenden Frieden einzugehen.
Der junge Friedrich von Padberg wurde zum Beschützer des Bistums Paderborn erwählt; Burg und Stadt Dringenberg wurde ihm übergeben. Der neue Paderborner Fürstbischof Ruprecht, Herzog von Jülich- Berg (1390-1394) wollte jedoch von diesem demütigenden Frieden nichts wissen. Es kam zu einer neuen Fehde, unter der besonders das Sintfeld zu leiden hatte. Von der Burg Fürstenberg aus unternahmen die Bengeler Raubzüge in das Paderbornische Gebiet. Nach einem Raubzuge nach Verne bei Salzkotten wurde aber Graf Friedrich von Padberg bei Büren von den Bischöflichen Mannen geschlagen und gefangen genommen. Die Burg Fürstenberg ergab sich dem Bischof.
Da die Bengeler auch in den Nachbargebiete in Waldeck Raubzüge vollführten und ihr Bundesgenosse Graf Nicolaus II. von Tecklenburg die Stifte Münster und Osnabrück, sowie das churkölnische Sauerland verwüstete und brandschatzte, traten Erzbischof von Köln, die Fürstbischöfe von Paderborn, Münster und Osnabrück mit dem Herzog von Cleve und dem Graf von der Mark in Hamm im Jahre 1392 zusammen und schlossen einen zwölfjährigen Friedensbund. Graf Friedrich von Padberg, das Haupt des Bengelerbundes, dem auch die Ritter von Etteln, Levenstein usw. angehörten, hatte infolge des Friedensbundes von Hamm zwar seine Freiheit wiedererhalten, setzte aber das alte Raubritterleben fort.
Der tatkräftige Fürstbischof Ruprecht entschloß sich, die Burgfesten des Padbergers zu zerstören. Während der Belagerung der Feste Padberg am 28.7. 1394 starb der Fürst in der Blüte seiner Jahre an der Pest.- Friedrich von Padberg brach nun von neuem mit seinen Genossen in das Stift Paderborn ein. Die Stadt Borgentreich konnte nur durch ein hohes Lösegeld sich retten; Stadt Lichtenau wurde mit brennenden Pfeilen beschossen und mit Mühe und Not von den Bürgern gerettet. Der neue Bischof Johannes I.Graf von Hoya (1394-1398) trat den Verwüstungs- und Raubzügen der Bengeler erfolgreich entgegen. Graf Friedrich und seine Brüder Johann und Gottschalk wurden durch List gefangen genommen, desgl. die übrigen Bundesritter, welche nur durch ein hohes Lösegeld und durch feierliche eidliche Verpflichtung, fortan Frieden zu halten, ihre Freiheit wiedererhielten.
Welches waren die Folgen dieser etwa 12 bitteren Jahre dauernden Fehden und Verwüstungszüge?
Burg und Stadt Blankenrode waren zerstört und entstanden nicht mehr zu neuem Leben. Das Sintfeld mit über 20 Ortschaften und in der Umgegend die Dörfer im oberen Altenautale Sirexen und Snevelde waren verwüstet und von den Bewohnern verlassen, wie wir im folgenden Kapitel nachweisen war die Entvölkerung des Sintfeldes und Umgegend auch eine Folge der im 14. Jahrhundert vor sich gehenden ländlichen Umsiedlung; aber die Bengelerfehde hat die Entvölkerung des Sintfeldes zum großen Teil mit verursacht.
In den rohen Kriegszeiten der Bengeierfehde ist das Frauenkloster Dalheim in arge Mitleidenschaft gezogen und zum Erliegen gekommen.
Nach gewöhnlicher Annahme ist das der Muttergottes geweihte kleine Frauenkloster in Dalheim unter dem Paderborner Fürstbischof Bernard IV, Edelherrn zur Lippe (1227-1247), gegründet und zwar, wie wir wohl mit Recht annehmen können, als Augustinerinnenkloster. Die kleine Klosterkirche war Pfarrkirche für das Dorf Dalheim und die Filialorte Boclon und Versede. Das Kloster hatte mäßigen Besitz in und in der Umgegend von Dalheim. Es kamen aber für die Ordensfrauen Tage und Jahre schwerster Sorgen, als das Sintfeld, sei es durch Umsiedlung seiner Bewohner, sei es durch Verwüstungen in der Bengelerfehde, mehr und mehr entvölkert wurde und die heuerpflichtigen Bauern ihre Zehnten zum Kloster nicht mehr ablieferten bezw. abliefern konnten.
Mit der Verödung des Sintfeldes war das Augustinerinnenkloster Dalheim seinem Untergange ausgeliefert, und drei Mal wurde es von den gewalttätigen Bengelerrittern heimgesucht: von dem Herrn von Lewenstein, wobei das Klostergebäude in Brand geriet und drei Klosterschwestern verbrannten, von dem gewalttätigen Ritter Lippold von Etteln und dem Herrn von Falkenberg aus dem Lippeschen. Die letzten 14 Nonnen wanderten zu andern Klöstern ab, und Kloster Dalheim mit Kirche war eine traurige Ruine geworden. Im Dorf Dalheim sollen nach Dr. Beste "Zur Geschichte der Grundherrschaft des Klosters Dalheim" beim Aufhören des Frauenklosters noch 11 Familien gewohnt haben.