Schlußbemerkungen |
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Unsere bäuerlichen Vorfahren - alle Stadtbewohner stammen letzten Endes vom Bauern ab - lebten auch noch im 19. Jahrhundert ein Leben der Einfachheit, die in der täglichen Lebenshaltung, auch in der Erholung und im Vergnügen herrschend war; für die Erhaltung eines gesunden Bauernstandes ist eine gewisse Einfachheit unbedingt erforderlich. Beim Bauern finden wir Bodenständigkeit und Liebe zur Heimat.
Im Gegensatz zum Stadtbewohner, der vielfach auf einer Etagenwohnung zu leben gezwungen ist, hat der Bauer eine Heimat im eigentlichen Sinne, in der er geboren wurde, heranwuchs, in der er arbeitete und in der er mit Ruhe dem letzten Stündlein entgegensieht. Der Bauer bleibt mit dem Boden seiner Heimat verwachsen, und die Sorge für die Erhaltung des elterlichen und vorelterlichen Hofes ist mit seine Hauptsorge. Durch die Industrialisierung Deutschlands im 19. Jahrhundert ist leider eine Lockerung in der Bodenständigkeit und Heimatliebe beim Bauern zum Teil eingetreten. Der Boden ist erst zu einer Ware geworden, die verkauft wurde. Durch die Erbhof-Gesetzgebung ist dem ein Riegel vorgeschoben.
Das verflossene 19. Jahrhundert sah eine grosse Abwanderung der nachgeborenen Kinder des Bauern vom Lande in die Stadt. Die neuentstandene und sich immer weiter ausbreitende Industrie verlangte ein Arbeiterheer, das sich aus dem Zustrom vom Lande und aus fremden Nationen rekrutierte. Bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erlebte Deutschland auch eine grosse überseeische Auswanderung besonders nach Nordamerika, auch von Landbewohnern, insbesondere von ländlichen Tagelöhnerfamilien. Auswanderer von Haaren Kreis Büren gründeten in den Prärien der Vereinigten Staaten von N.A. eine neue Heimat, die sie zur Erinnerung an ihre Geburtsstätte" Neu-Haaren" nannten.
Mit der zunehmenden Verstädterung auch des Landes erlebte das abgelaufene Jahrhundert so eine Landflucht, die sich durch den Mangel an Arbeitskräften für den Landbau und damit für die heimische Ernährung katastrophal auszuwirken drohte. Ersatz wurde gefunden in fremdnationalen Arbeitskräften, besonders auf grossen Gütern, und durch weitgehende Verwendung von landwirtschaftlichen Maschinen; ohne letztere wäre auch heute eine intensive Bestellung des heimatlichen Bodens nicht denkbar.
Auf dem Lande wächst im allgemeinen ein gesundes Geschlecht heran. Die Vorbedingungen für die Volksgesundheit: Luft und Licht sind auf dem Lande gegeben im Gegensatz zur Großstadt mit ihren in der Zeit des Liberalismus entstandenen Mietskasernen. Auf dem Lande ist eine naturgemässe, gesunde, einfache Ernährung vielfach auch im Gegensatz zur Stadt. Bei unsern Landfamilien haben wir einen reichen Kindersegen. Die von mir nachgeforschten Familien der Gemeinde Blankenrode weisen im abgelaufenen Jahrhundert eine stattliche Kinderzahl auf; hoffentlich bleibt es auch für die Zukunft so!
Allerdings wird das Land der Jungbrunnen in bezug auf Erhaltung und Vermehrung der Bevölkerungsziffer nur so lange bleiben, als die Familien durch das Christentum zum Opferbringen für die Kinder gestärkt werden. Ohne Christentum kein Opfersinn, ohne Christentum kein Kindersegen!
In bezug auf Gesundheits- und Krankenpflege sah und sieht es auf dem Lande noch nicht zum Besten aus, wenn auch durch Fernsprecher und Auto ärztliche Hilfe eher zur Stelle ist als in den früheren Jahrzehnten. Kranksein Nach dem Archiv der Bürgermeisterei Atteln herrschte im Jahre 1807 in Oesdorf, Meerhof und Umgegend eine Ruhrepidemie, desgl. 1812 und 1813 dieselbe Epidemie in den genannten Dörfern, ferner in Holtheim und Asseln. Wie schwer wird damals in jenen Zeiten den Familien die Krankenpflege geworden sein. Aus der Amtskasse sind damals zur Bekämpfung der Seuche und zur Unterstützung armer Familien 53 Tlr 1 Sgr. 5 Pfg. gezahlt. Weitere Epidemien habe ich aus dem Atteler Archiv nicht feststellen können. An die verschiedenen Grippe-Epidemien der letzten 2 Jahrzehnte die auch den Bewohnern des Fernandshofes im Jahre 1918 schwere Opfer auferlegte, sei hier auch erinnert. ist auf dem Lande immer teuerer als in der Stadt, da die Wegegelder für Arzt und Herbeiholen der Medikamente hinzukommen. Die Krankenpflege durch Familienmitglieder ist auf dem Lande besonders in der Zeit eiliger Bestellungsarbeiten erschwert zumal auch die Herstellung abwechslungsreicher, leichter
Krankenkost noch vielfach unbekannt war und ist.
Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass das abgelaufene Jahrhundert eine Besserung gebracht hat. Wir denken da an die segensreiche Arbeit der Wohlfahrtsämter (Kinder- und. Tuberkulosenfürsorge), an die ambulante Krankenpflege für die Dalheimer Gegend, ausgeübt von den Schwesternstationen in Lichtenau, Haaren und Atteln durch Ordensschwestern.
Im abgelaufenen Jahrhundert sehen wir bei unsern Bauern, und das gilt auch für die Dalheimer Dörfer, echten geschichtlicher Familiensinn. Die Familienglieder zeigen oft grosse Opferwilligkeit zur Erhaltung des väterlichen Gutes; die Person steht hinter dem Hofe zurück. Das geschichtliche Brauchtum wird in der Familie gepflegt. Wir finden im vergangenen Jahrhundert, abgesehen von Entgleisungen und Abirrungen, sittlichen Familiensinn. Das Familiengefühl, der Zusammengehörigkeitssinn wird geweckt. Die Kinder werden in strammer Hauszucht religiös erzogen. Die Bauernfamilie erzieht zu gemeinsamer Arbeit, das Kind wächst von selbst in die Arbeit der Eltern hinein.
Nicht leicht ist die Aufgabe der verheirateten Bauernfrau. Gross ist ihre Arbeitslast als Mutter und Hausfrau, aber auch als Mitproduzentin des Mannes in Stall und Garten. Wünschenswert wäre es, wenn die schulentlassene männliche und weibliche Jugend durch den Besuch von Fortbildungsschulen noch besser für den späteren Beruf auf dem Lande vorgebildet würde, ohne allerdings dem Lande entfremdet zu werden. Das ist in Blankenrode im vergangenen Jahrhundert nur sehr wenig vorgekommen.
Eine Weiterbildung unserer Landjugend darf jedoch nicht von Gott wegführen, sondern soll zu Gott hinführen. Denn der Bauer ist in erhöhtem Maße von Gott abhängig. Bei seiner Arbeit ist er von lauter Wundern der Allmacht Gottes umgeben und denkt oftmals nicht daran. Der Bauer schafft mit seiner Arbeit nur die Vorbedingungen; ob er Erfolg hat oder nicht, steht nicht in seiner Hand; ob er grösseren Erfolg hat oder nicht, steht ebenfalls nicht in seiner Hand. Der Bauer ist von Gottes Segen abhängig und fühlt sich davon abhängig; das ist der Segen seiner Arbeit?
Die Geschichte erzählt uns von schweren, ja schwersten Zeiten des deutschen Volkes und des deutschen Bauernstandes. Der Bauer hat die jammervollen Zeiten des 30-jährigen und 7-jährigen Krieges überstanden. Im letztvergangenen Jahrhundert blieben auch dem Bauern Prüfungen nicht erspart: schwerste Verarmung und Geldknappheit, Krankheiten, Hagelschlag, Misswachs und Dürre. Aber in zäher Arbeit und gestärkt durch seinen Christenglauben hat der Landmann die Prüfungen überstanden und sich emporgearbeitet, wobei auch die staatlichen Hilfen bei der Ablösung der gutsherrlichen Lasten durch Gründung der Rentenbanken, durch die Separation usw., worüber im Vorhergehenden das Nähere gesagt ist, nicht unerwähnt bleiben dürfen.
Ich schliesse diese Bemerkungen mit den beherzigenswerten Schlussworten aus dem schönen Buche von Josef Weigert "Das Dorf entlang", ein Buch vom deutschen Bauerntum, Freiburg 1915:
Treu seinem Stande, in dem es viele Arbeit und Mühe gibt, aber auch ein freies köstliches Leben,
Treu seinen Vorfahren, in deren Sitten und Gebräuchen, soweit sie edel und erhaltenswert sind, er ein heiliges Vermächtnis überkommen hat,
Treu seinem Boden, der auch ihm treu ist und nährt seit Jahrhunderten,
Treu seiner alten einfachen Lebenssitte und Religiosität, die sein schönstes Kleid ist,
Er soll nicht danach streben, ein schlechter Abklatsch der Stadt zu werden.
Sein Stolz soll sein: ein ganzer, deutscher, ureigener Bauer zu sein."
