8. Kapitel |
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Grossvater von Rüden und seine Frau Friederike übernahmen durch das Testament Schwiegervaters bzw. Vaters Johann Förster eine nicht unbedeutende Last. Die Abzahlungen in bar waren zwar durch die sich auf 22 Jahre hinziehenden Abzahlungen und durch die Unverzinslichkeit der Abfindungen in etwa erleichtert. Die Kindesteile für die Geschwister Förster wurden gerichtlich eingetragen. Wegen der testamentarisch festgelegten Abtretung von je 2 Morgen Land an Anton, Karl und Franz, nach deren Vollendung des 20. Lebensjahres, wurde Grossvater Ludwig am 9.7.1845 vor das Stadt- und Landgericht Büren geladen, wo auch diese Verpflichtung grundbuchlich gesichert wurde.
Aber da kam für meinen Grossvater und die auf dem Fernandshofe lebenden Minorennen Förster ein weiterer grosser, schwerer Schlag! Grossmutter Friederike starb am 2.10.1839, bald nach der Geburt des ersten Kindes, meiner seligen Mutter Anna Franziska, die am 8.8.1839 geboren wurde.
Ludwig von Rüden musste schon im Interesse der noch unversorgten bei ihm wohnenden minderjährigen Geschwister Förster und auch im Interesse einer geregelten Wirtschaft wieder heiraten. Von seinen Schwägerinnen konnte er keine heiraten, da Franziska bei seiner Einheirat auf den Fernandshof an Johann Düllmann in Westheim, der nach dem Tode des Johann Förster vom Gericht als Vormund der minderjährigen Schwäger und Schwägerinnen ernannt war, bereits verheiratet war und seine Schwägerin Therese im Jahre 1839 Friedrich Langen in Westheim heiratete. Die jüngste Schwägerin Elisabeth, die später in Westheim mit Josef Sewald verheiratet war, war bei dem Tode meiner Grossmutter Friederike erst 15 Jahre alt.
Grossvater Ludwig von Rüden war einfach gezwungen, nach einer anderen Frau sich umzusehen, und am 23.10.1840 heiratete er Agatha Wüllner, genannt Balken, aus Meerhof. - Da er mit seiner ersten Trau Friederike in "observanzmässiger Gütergemeinschaft" gelebt hatte, und das Kind aus der ersten Ehe, meine Mutter, noch lebte, musste er Schichtung halten, die am 16.1.1840 vor dem Gericht in Büren stattfand wie das Weitere in der Familiengeschichte erzählt ist.
Das Vermögen wurde nach Abzug der Schulden auf 818 Tlr. 5 Sgr. geschätzt, und dem Vater und dem Kinde wurde je die Hälfte, und zwar 409 Tlr. 2 Sgr. 2 Pfg. zugesprochen, d.h. Grossvater musste seiner Tochter Franziska nach deren Grossjährigkeit jährlich 50 Tlr. zahlen. - Die Kindesteilzahlungen waren, wie beim Testament Johann Förster, unverzinslich.
Anstatt der ersten Zahlung von 50 Tlr. sollte bei etwaiger Verheiratung der abgeschichteten Tochter eine Aussteuer gegeben werden, die in der Familiengeschichte mitgeteilt ist. In der Familiengeschichte habe ich ferner nachgewiesen, dass von Grossvater Ludwig und seinem Sohn Johannes, meinem Patenonkel, die in der Schichtungsverhandlung vom 16.1.1840 festgesetzte Summe von 409 Tlr. 2 Sgr. 2 Pfg. richtig gezahlt ist, dass aber in der verspäteten, teilweise verzögerten Zahlung eine Ungerechtigkeit gegen meine selige Mutter gelegen hat, da der Wert und die Kaufkraft eines Talers im Jahre 1840 durchaus nicht dieselbe war, wie etwa 30 Jahre später.
Am 16.10.1873 erteilten meine Eltern löschungsfähige Quittung über das Kindesteil meiner Mutter, welches dann am 30.10.1873 vom Gericht in Lichtenau, zu dessen Gerichtsbezirk Blankenrode damals gehörte, im Grundbuche gelöscht wurde.
Durch die Verheiratung mit der blutsfremden Agatha Wüllner kam, wenn auch ungerechtfertigt, eine gewisse Verstimmung in die Förster'sche und Thielen'sche Verwandtschaft, da der Fernandshof durch die Einheirat meines Grossvaters und dessen zweiter Ehe mit Agatha Wüllner völlig der Familie Förster und Thiele entfremdet wurde. (Ich habe noch in meiner Jugend von Verwandten meiner seligen Mutter und Grossmutter derartige Äusserungen gehört, die ich damals noch nicht verstehen konnte.)
Grossvater Ludwig zeigte sich den geschilderten Schicksalsschlägen gegenüber als wackerer unverzagter Mann. Wohl mit Rücksicht auf die geschilderte Verstimmung vollzog er, ohne Einhaltung der von seinem Schwiegervater festgesetzten Termine, mit Beschleunigung die Auszahlung der Kindesteile. So quittieren bereits am 20.12.1844 die Schwäger Johann Düllmann (Westheim), Ehemann der Franziska Förster, und Friedrich Lange (Westheim), Ehemann der Theresia Förster, und desgleichen Anton Förster, verzogen nach Oesdorf, am 8.11.1847 den Empfang von je 200 Tlr. und des Brautschatzes.
Karl Förster, Bergmann in Essen (Ruhr), gibt gelegentlich eines Besuches in der Heimat, am 9.10.1855 die gleiche Bescheinigung. Franz Förster, der später als Ackerwirt in das Lohoff'sche Haus Nr. 6 in Blankenrode einheiratete, quittiert am 6.3.1862, und Tagelöhner Josef Sewald zu Westheim bescheinigt am 12.3.1862 den Empfang der Barabfindung und des Brautschatzes für seine Frau Elisabeth. - Friedrich Lange und Josef Sewald werden in den Grundbuchakten als Tagelöhner aufgeführt.- Auf jeden Fall wird die Zahlung der Kindesteile an die Schwäger und Schwägerinnen nicht leicht gewesen sein!
Auch die Abtretung der im Testamente des Johann Förster vorgeschriebenen je 2 Morgen Landes an die Brüder Anton, Karl und Franz wurde von Grossvater Ludwig ausgeführt. Letzterer kaufte von seinen Schwägern, Landwirt Anton Förster zu Blankenrode und Bergmann Karl Förster zu Essen, die denen zugefallenen je 2 Morgen zurück in den Jahren 1844 und 1853, wofür 48 bzw. 50 Tlr. gezahlt worden sind, während Franz Förster zu Oesdorf, dann zu Blankenrode, die ihm zugefallene Fläche dem Schäfer Josef Günther in Oesdorf im Jahre 1864 für 155 Tlr. verkaufte. (Auch aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, wie sehr innerhalb weniger Jahre der Wert des Talers gesunken war!) - Nebenbei sei erwähnt, dass Grossvater Ludwig dem Johann Wiechers in Meerhof 2 Grundstücke zur Grösse von nahe 3 Morgen für 85 Tlr. im Jahre 1841 verkauft hatte.
Als Heiratsgut der Agatha Wüllner kamen zum Fernandshofe das Grundstück Flur 6 Nr. 40 "Am Mühlenberg" Auf dem Grundstück am Mühlberg lag eine jährliche Rente für Kamphafer von 8 Sgr. 5 Pfg. zur Grösse von 3 Morgen, 24 Ruten, 25 Fuss, das Ludwig von Rüden durch Austausch mit seinem Schwager Johann Wüllner für ein gleich grosses Grundstück in Meerhof erhielt, ferner die Parzellen der Gemeinde Blankenrode, Flur 2 Nr. 166 "Langegrund" zur Grösse von 2 M. 165 R. 85 F., in "Dreeswinkel" Flur 4 Nr. 253 zur Grösse von 3 M. 101 R. 26 F.1 - Über diese Erwerbungen und sonstigen Landankäufe von Ludwig von Rüden teilt nachstehende Aufstellung das Nähere mit:
Gemarkung | Flur | Nr. | Bezeichnung | M. | R. | F. | Vorbesitzer | Wohnort | Zeit | Preis |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Blankenrode | 6 | 145 | Hinterm Hasselbusche | 3 | 79 | B. Jordan | Blankenrode | 6.2.1840 | 45 Tlr. | |
6 | 23 | Krögerbusch | 4 | 70 | 25 | W. Jordan | Blankenrode | 27.3.1844 | 180 Tlr. | |
Blankenrode | 6 | 145 | Mühlenberg | 2 | Schwager Anton Förster | Blankenrode | 48Tlr. | |||
6 | 44 | Mühlenberg | 2 | Karl Förster | Essen | 7.10.1853 | 50 Tlr. | |||
Blankenrode | 6 | 179 173 | Hinterm Hasselbusche | 1 | 82 | 55 | Friedr. Horn | Blankenrode | 20.12.1854 | 30 Tlr. |
Blankenrode | 6 | 59 | Wiese | 97 | 13 | Heinemann-Dalberg | Marsberg | 9.9.1851 | 96,5 Tlr. | |
Blankenrode | 6 | 40 | Mühlenberg | 3 | 24 | 25 | Heiratsgut der Agatha Wüllner | |||
Oesdorf | 2 | 166 | Langegrund | 2 | 165 | 85 | ||||
Oesdorf | 4 | 253 | Dreeswinkel | 3 | 101 | 26 |
Die vom Juden Heinemann-Dalberg in Marsberg gekaufte Wiese war mit einer Geldrente von 22 Sgr.6 Pfg. belastet. Die übrigen Grundstücke waren zehnt-, schreibheuer- und hudepflichtig, während das Grundstück Flur 6 Nr. 40 mit einer Rente für Kamphafer von 8 Sgr. 5Pfg. belastet war. Auf den Parzellen in der Gemeinde Oesdorf "Langegrund" und
"Dreeswinkel" waren für den Frühmessfonds zu Meerhof 100 Tlr. Conventionsmünze Conventionsmünze hatte einen um 3 1/3 v.H. (Agio) höheren Wert als Berliner Courant. und 50 Tlr. aus der Schenkungsurkunde vom 12. und 21.10.1835 eingetragen. Diese Schuld für den Frühmessfonds war auf das ganze Wüllner'sche Vermögen eingetragen und bei Abtretung der 2 genannten Parzellen in Oesdorf an Agatha Wüllner übertragen. Die Löschung dieser Post auf dem Fernand'schen Vermögen erfolgte endlich am 4.1.1882.
Auf dem Grundstück am Mühlenberg Flur 6 Nr. 40, welches Agathe Wüllner mit in die Ehe brachte, waren durch Urkunde vom 24.3.1831 für Agatha W. bestimmt: 40 Taler Abfindung und folgende Aussteuer:
- ein 3 jähriges Rind zu 9 Tlr.;
- ein neuer Koffer zu l0 Tlr.;
- ein vollständiges Bett zu 21 2/3 Tlr.;
- eine Bettlade zu 5 Tlr.;
- ein Spinnrad nebst Haspel zu 1½ Tlr.;
- eine Flachsbreche zu 15 Sgr. und
- ein Kochtopf zu 1 Tlr.
Auch diese Abfindung und Aussteuer wurde auf Antrag meines Patenonkels, Johann von Rüden, am 4.1.1882 endlich im Grundbuche gelöscht.
Eine ähnliche Aussteuer habe ich in meiner Familiengeschichte nachgewiesen bei meiner seligen Mutter Franziska und bei meiner Grossmutter väterlicherseits Marianne Schäfers aus Nordborchen. Bei jedem Brautschatz bis etwa zur Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind zu finden: Spinnrad, Garnwinde usw. Werden diese Ausstattungsgegenstände gemäss den heutigen Bestrebungen, wiederum demnächst zu finden sein beim Brautschatz bei jeder deutschen Hochzeit?
In Abt.III. des Grundbuches des Fernandshofes finden sich ausser den erwähnten Abfindungen für die Geschwister Förster, für meine selige Mutter Anna Franziska, an Abfindung und Aussteuer für Agatha Wüllner und 100 Tlr. Conventionsmünze und 50 Tlr. für den Frühmessfonds in Meerhof, auf einigen Parzellen noch folgende Belastungen: 140 Krohntaler für den Marsberger Juden Heinemann Traugott zu Stadtberge aus der Schuldurkunde vom 27.6.1822; das Kapital war mit 5% verzinslich; aber Schuldner Johann Förster hatte sich verbindlich gemacht, im Herbst 1822 noch extra 4 Tlr. 23 Gr. zu zahlen; infolge dessen sind 144 Krohntaler 23 Sgr. eingetragen, welche erst an 15.4.1881 im Grundbuch gelöscht sind.
Ob Urgrossvater Johann Förster dieses Darlehen aufgenommen hat, sein im Jahre 1820 erbautes Haus Blankenrode Nr. 9 zu bezahlen, ist heute nicht mehr nachzuweisen. An weiteren Hypothekenschulden finden wir im Grundbuch 100 Tlr. für den Faktor Karl Hillebrand auf der Glashütte Siesserkamp vom 20.7.1838, gelöscht am 20.3.1891. Diese Schuld musste jedenfalls nach dem Tode von Johann Förster aufgenommen werden.
Auf dem von Glasmacher Friedrich Horn gekauften Grundstück stand für Glasfaktor Becker eine Schuld von 20 Tlr., die Grossvater Ludwig in Anrechnung auf das Kaufgeld übernahm und an 23.11.1869 gelöscht wurde. Ferner sind für Meyer und Oppenheimer in Marsberg 16 Tlr. 1 Sgr. 1 Pfg. an rückständigen Zinsen, Kosten und Porti eingetragen auf der von Anton Förster in Oesdorf gekauften Parzelle von 4 Morgen, die dieser von Johann Breidenbach gekauft hatte; gelöscht am 3.9.1863. Ferner 1 Tlr. 14 Sgr. an Gerichtskosten gegen Lorenz Voss auf der von Heinemann Dalberg in Marsberg gekauften Wiese, gelöscht 17.5.1862.
In der mehrfach erwähnten Schichtungsverhandlung meines Grossvaters Ludwig vom 16.1.1840 werden in Titel XXI an Schulden aufgeführt:
1. Kindesteile (für Geschwister Förster)in bar: | 970 Tlr. | |
Wert der Aussteuern: | 77 Tlr. | 24 Sgr. |
2. den Paktor Karl Becker auf der Glashütte: | 60 Tlr. | |
3. den Amtmann Werner Kleinschmidt in Blankenrode | 45 Tlr. | |
4. den Johann Lohoff daselbst | 15 Tlr. | |
5. den Anton Otto daselbst | 313 Tlr. | |
Sa. | 1171 Tlr. | 9 Sgr.? |
Die unter 2-5 aufgeführten Verbindlichkeiten sind nachträglich in das Grundbuch nicht eingetragen, waren also als kurzfristige Schulden erbeten und sind von Grossvater nach besten Kräften bald abgetragen, eine sehr anerkennenswerte Leistung bei den sonstigen Verpflichtungen in der damaligen so geldknappen Zeit!
Die grundbuchlich eingetragenen Schulden 100 Tlr. für Karl Hillebrand auf Siesserkamp vom Jahre 1838 und 144 Krohntaler 23 Sgr. für Heinemann Traugott zu Marsberg vom Jahre 1822 sind vor der Schichtungsverhandlung vom 16.1.1840 bereits abgetragen gewesen, sonst wären sie bei der Verhandlung aufgeführt. - Aus den vorstehenden auszüglichen Mitteilungen aus dem Grundbuch geht hervor, dass der so oft gerügte Mißstand verzögerter Löschungen nach geschehenen Abtragungen auch hier zu beklagen ist. Für jeden Besitzer sollte es Regel sein, nach Abtragung einer eingetragenen Schuld sofort für Löschung Sorge zu tragen, da andererseits oftmals unnötige Kosten, Sorgen und Verdriesslichkeiten entstehen!
Ludwig von Rüden sah sich mit den anderen Grundstückseigentümern vor eine neue wichtige Aufgabe gestellt; es handelte sich um die Bildung des Grundbuches. Die Verhandlungen wurden von dem mehrfach erwähnten Gerichtsrat Spancken (Büren) in Meerhof am 1.7.1842 geführt und dann am 15.7.1842, morgens 6 Uhr fortgesetzt. Grossvater musste über alle vom Schwiegervater ererbten und über alle von diesem oder von ihm selbst gekauften bzw. auch umgetauschten Grundstücke durch Katasterauszüge, Kaufverträge und sonstige Verhandlungen den Nachweis führen, dass sein Schwiegervater bzw. die Vorbesitzer schon 1815 in anerkanntem Besitz der betreffenden Parzellen gewesen waren. Für einen Bauern, der für Schreiben, Schriftstücke und Verhandlungen gewiss keine Vorliebe hat, keine geringe Leistung; aber Grossvater hat den Nachweis lückenlos geführt.
Bezüglich der, mit seinem Schwager Johann Wüllner in Meerhof im Austausch erworbenen Parzelle am Mühlberge, Flur 6 Nr.40 (Nachbarn Bernard von Rüden und Bernard Lohoff), wurde von Gerichtsrat Spancken sofort an 15.7.1842 ein Vertrag aufgenommen. In gleicher Weise mussten die Rechte des Fiskus in Bezug auf Hudepflichtigkeit der Grundstücke, Zehnt- und Schreibheuerverpflichtungen erörtert und klargestellt werden.
Durch die noch zu erwähnenden Verträge mit den Domänenfiskus von 1841 war zum Teil die Zehnt- und Schreibheuerpflicht in eine jährlich zu zahlende feste Geldrente umgewandelt. Ebenso erkennt Grossvater die auf Haus und Hof ruhende Geldrente von 3 Tlr. 8 Sgr. für das frühere Domstift in Paderborn an. Von den Hypotheken ist bei den Verhandlungen in Meerhof keine Rede, da deren Berechtigung durch notarielle Verträge bereits gesichert war.
Am 28.7.1842 werden noch von Geriehtsdeputierten Spanken die aus Meerhof stammenden Zeugen Augustin Werni und Johann Köster, beide 69 Jahre alt und katholisch, eidlich vernommen. Beide erklären zur Sache:
Gerichtsrat Spancken hat auch mit diesen Arbeiten bezüglich der Anlage des Grundbuches eine sehr schwierige und überaus anerkennenswerte Arbeit geleistet. Spancken war ein ausgezeichneter Jurist, stand der Bevölkerung und deren Schwierigkeiten menschlich nahe und war, wie ich anderswo hervorgehoben habe, ein hervorragender Geschichtskenner. - (Ohne den alten Spanken wäre vielleicht die von Professor Wilh. Richter geschriebene "Geschichte der Stadt Paderborn" nicht entstanden.) Aber auch den Protokollführer, Gerichtssekretär Menne, ist für die saubere Ausführung der Gerichtsverhandlungen in
Meerhof Anerkennung zu leisten.
Am 30.12.1843 wird dem Ludwig von Rüden vom Gericht Büren eröffnet, dass "das Kapital von 100 Tlr. für Karl Hillebrand nicht eher gelöscht werden kann, bis die Obligation mit einer gerichtlichen oder notariellen Quittung der Erben des Hillebrand eingereicht sein wird." Mit grösster Mühe ist die Löschung erst am 20.3.1891 erfolgt.
Bei Anlage des Grundbuches mussten zuvor die Berechtigungen des Fiskus als Nachfolger des ehemaligen Klosters Dalheim in Bezug auf Schreibheuer, Naturalzehnten und Hudepflichtigkeit der in Frage komnenden Parzellen durch Verhandlungen mit den Vertretern des Fiskus und den pflichtigen Bauern klargestellt werden. Erst dann konnte Eintragung im Grundbuch Abt. II stattfinden. Diese Verhandlungen in auswärtigen Terminen fielen für Grossvater Ludwig in die Zeit, in der er anderweitige Sorge in Hülle und Fülle hatte: der Schwiegervater Johann Förster war am 25.10.1837 gestorben; am 2.10.1839 folgte ihm im Tode Grossmutter Friederike; am 28.10.1840 erfolgte die zweite Ehe meines Grossvaters mit Agatha Wüllner.
Die Ablösung der Naturalleistungen, die durch die staatlichen Gesetze ermöglicht war, war eine sehr wichtige Angelegenheit, die sich bis zur endgültigen Regelung bis 1856 hinzog. Auch diese Aufgabe hat Grossvater Ludwig zum Besten des Fernandshofes gelöst. Auf Grund des Gesetzes vom 25.4.1836 drängte die Regierung auf Ablösung des Naturalzehnten durch eine jährliche sich gleichbleibende Geldzahlung seitens des Zehntpflichtigen. Verschiedene Verhandlungen waren notwendig, zunächst über die Höhe der zu zahlenden Rente, da doch zu den Klosterzeiten der Zehnte für die brachliegenden Länder und in Jahren des Misswachses nicht geleistet werden brauchte.
Die Regierung verlangte zuerst, dass die Zehntpflichtigen für die auf die abgabepflichtigen Ländereien von Blankenrode berechnete Gesamtrente von 23 Tlr. 17 Sgr. 6 Pfg. solidarisch haften sollten. Von Seiten der Bauern entschlossener Widerstand! Auch eine Einwirkung des Landrates von Hartmann in Büren war vergeblich. Dem gewandten und bei der Landbevölkerung hoch angesehenen Gerichtsdeputierten, Gerichtsrat Spancken, in Büren, gelang es, in der Verhandlung vom 2.7.1840 in Blankenrode einen Vergleich anzubahnen.
Die Regierung musste von der verlangten Solidarhaftung der Zehntpflichtigen Abstand nehmen. Die Besitzer schlossen unter sich einen Vergleich dahin ab, dass die "Rente nach dem Verhältnis des Kataster- Reinertrages jedes einzelnen zehntpflichtigen Grundstückes auf die Parzellen verteilt werden solle und dass die Gärten, Kämpe und Wiesen als zehntfrei angenommen werden sollen."
Die Rente war erstmalig am 1.7.1836 zahlbar gewesen und musste für die Jahre 1836-1839 nebst Zinsen nachgezahlt werden. Die Rente kann in den ersten Jahren mit dem 20-fachen Betrage abgelöst werden; später kann nur mit dem 25-fachen Betrage die Ablösung der Geldrente erfolgen. In der weiteren Verhandlung vom 26.8.1840 erfolgte Einigung über die Verteilung des Geldzehnten, sodass am 23.11.1840 endlich die Verhandlung mit der Gesamtheit der zehntpflichtigen Grundstücksbesitzer abgeschlossen werden konnte. Es folgten dann die Vertragsabschlüsse zwischen der Regierung und jedem einzelnen zehntpflichtigen Besitzer.
Auf Grund der Verhandlungen vom 25., 26. und 27.10.1839 kam zwischen der Königlichen Regierung in Minden Namens des Domänenfiskus und Ludwig von Rüden am 4.8.1841 ein Vertrag zustande zunächst zur Ablösung der Natural-Schreibheuerpflicht für 12 Parzellen, welche von früher her zur Ackerstelle gehört oder von dem Vorbesitzer Johann Förster gekauft waren. Der Fiskus verzichtet auf die Naturalleistung aus der Schreibheuerpflicht, während Ludwig von Rüden sich zur Zahlung einer Geldrente von 6 Sgr. 3 Pfg. für jeden Heuermorgen verpflichtet.
Die Abtragung der Geldrente durch jährliche Zahlungen war im Gesetze zunächst nicht vorgesehen. Ludwig von Rüden übernimmt durch den genannten Vertrag für sich und seine Nachfolger, die im Besitze der schreibheuerpflichtigen Grundstücke sind, eine feste jährliche Geldrente von 5 Tlr. 22. Sgr. 8 Pfg. ab 11.11.1839; die Geldrente ist jährlich auf Martini an die Domänenrentei Lichtenau zu zahlen. Ein Nachlass der festgesetzten Rente findet in keinem Fall statt, da bei deren Festsetzung der Viertelerlass bereits berücksichtigt ist; d.h. für die Brachjahre waren keine Schreibheuer zu leisten.
Für den ablösenden Landwirt war es auf die Dauer gesehen ein grosser Vorteil, dass die Ablösung der Naturalleistung in Geld geschah, dessen Wert und Kaufkraft erfahrungsgemäss immer fällt; jedoch war es für ihn ein Nachteil, dass die Geldleistung unabhängig vom Ausfall der Ernte geleistet werden musste, während zu Klosterzeiten nicht nur im Brachjahre, sondern auch "wenn die Frucht im Felde verunglückt", keine Naturalabgabe zu leisten war.
Wie schon oben mitgeteilt, wurde für die Naturalleistung und demgemäss für die Geldrente zu Grunde gelegt, der sog. "Heuermorgen", der mit der wirklichen Grundfläche nirgendwo übereinstimmt; meistens ist er kleiner, ja bedeutend kleiner als die katastermässige Grösse; in der folgenden Tabelle ist bei einem einzigen Grundstück der Heuermorgen grösser als die wirkliche Fläche. Der Heuermorgen ist gleichsam ein Ersatz oder Vorläufer der späteren Einstufung der Grundstücke nach dem Reinertrag. Zur Veranschaulichung des interessanten Verhältnisses zwischen flächenmässigen Morgen und Heuermorgen möge nach dem Vertrage vom 4.8.1841 nachstehende Tabelle dienen:
Flur | Nr. | M. | R. | F. | Name der Flurabteilung | Größe der heuer- pflichtigen Morgenzahl |
---|---|---|---|---|---|---|
6 | 2 | 4 | 110 | 89 | Konventsländer | 3¼ |
6 | 39 | 2 | 164 | 8 | Am Mühlenberg | 1½ |
6 | 117 | 2 | 18 | 44 | Auf dem Sollingen | 1½ |
6 | 125 | 1 | 172 | 80 | daselbst | ½ |
6 | 128/1.2 | 6 | 65 | -- | daselbst | 5 |
6 | 129 | 10 | 50 | 50 | daselbst | 4¼ |
6 | 142 | 4 | 164 | 60 | Hinter dem Hasselbusche | 2 1/8 |
6 | 148 | 3 | 140 | 5 | daselbst | 1 |
6 | 156 | 2 | 4 | 75 | daselbst | 2 |
6 | 119 | 10 | 8 | -- | Auf den Sollingen | 3 |
9 | 29 | 3 | 88 | 38 | Auf der Asche | 4 |
Zur Ablösung und Abtragung der bäuerlichen Reallasten wurde am 2.3.1850 das sog. Rentenbankgesetz erlassen. Den meisten Landwirten war es in jener kapitalarmen Zeit nicht möglich, die in eine jährliche Geldrente umgerechnete frühere Naturalleistung zum 25fachen Betrage, zu 4% gerechnet, abzulösen. Es wurden die Rentenbanken gebildet, welche zur Abfindung an die Berechtigten sog. Rentenbriefe herausgaben.
Diese Rentenbriefe waren mündelsicher und galten als sehr gute Wertpapiere. Den Zahlungspflichtigen war es gestattet, entweder die bisherige Naturalleistungsverpflichtung durch einmalige Kapitalzahlung oder durch eine jährliche, auf 41 Jahre berechnete Amortisationszahlung abzulösen. Die meisten Landwirte wählten das letztere, so auch Grossvater Ludwig. Bei den Akten finden sich zwei Ablösungsrezesse zwischen der Regierung in Minden und Ludwig von Rüden; beide Verträge sind von der Regierung in Minden am 4.11.1856 und von dem Besitzer des Fernandshofes am 15.12.1856 vor dem Bevollmächtigten des Kreisgerichtes Lichtenau, Assessor Gehlen in Blankenrode, unterzeichnet.
Der erste Vertrag oder Ablösungsrezess betrifft die vom Grossvater vom Marsberger Juden Heinemann Dalberg am 9.9.1851 für 96 ½ Tlr. gekaufte Wiese, die mit einer Geldrente belastet war. Zur Abrundung der Amortisationsrente wird ein kleiner Betrag in bar gezahlt. Die 41 Jahre hindurch zu zahlende Amortisationsrente beträgt jährlich 21 Sgr. Pfg.
Der zweite Vertrag, mit den gleichen Tagen der Abschliessung, umasst 25 Grundstücke, die bis dahin für den Fernandshof im Grundbuch eingetragen waren. Die meisten Stücke waren schreibheuer und zehntpflichtig, 2 Parzellen waren, wie schon berichtet, mit einer Rente für Kamphafer und die Hausstätte nebst Hofraum, Garten und Wiese mit der Geldrente für das frühere Domstift Paderborn belastet. Neben einer kleinen Barzahlung zur Abrundung der Amortisationsrente wird die für 41 Jahre berechnete jährliche Amortisationsrente auf jährlich 15 Tlr. 9 Sgr. festgesetzt.
Um die Zahlung der Abtragungsrente, die bei der Rentamtskasse in Lichtenau zu zahlen war, den Verpflichteten zu erleichtern, soll allmonatlich in den sechs Monaten des Winterhalbjahrs je ein sechstel der Amortisation gezahlt werden. Man sieht auch hieraus die ausserordentliche Geldknappheit noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts.
Nach dem Gesetz steht es dem Verpflichteten frei, auch während der Amortisationsperiode durch Kapitalzahlung sich von der Rentenpflicht zu befreien, wie dieses bei einigen Grundstücken, so bei den Anton von Rüden verschriebenen 2 Morgen vorgenommen ist.- Die letzte Amortisationsrente wurde im Jahre l897 gezahlt und am 29.4.1899 erfolgte die grundbuchliche Löschung der Rentenpflicht, womit ein Stück Mittelalter endgültig zu Grabe getragen war, was wohl den Beteiligten überhaupt nicht zum Bewusstsein gekommen ist.
Die oftmals vielhundertjährigen Naturalleistungen an Schreibheuer, Zehnten usw. wurden in Geldrenten umgerechnet und mit der Hilfe der Rentenbanken gegen eine jährliche Kapitalsquote und mässige Verzinsung in 41 Jahren abgetragen.
Die jährliche Amortisationsquote blieb sich, um beim Fernandshof zu bleiben, von 1856 bis 1897 gleich. Welches Abgleiten der Kaufkraft des Geldes war aber in den 41 Jahren eingetreten! Durch das Rentenbankgesetz vom 2.3.1850 sind der preussischen Landwirtschaft Millionenwete in den Schoss gefallen!